Einführung
Soziale Roboter, die für die Interaktion mit Menschen konzipiert sind, bergen ein immenses Potenzial für verschiedene Branchen. Ihr Erfolg hängt jedoch von der sozialen Akzeptanz ab. Menschen müssen sich in der Interaktion mit Robotern im Alltag wohlfühlen. Diese soziale Dimension ist das Herzstück der Mensch-Roboter-Interaktion (MRI). MRI konzentriert sich auf das Verstehen, Gestalten und Bewerten dieser Interaktionen (Goodrich, Schultz, 2007), die verbale Kommunikation, Körpersprache und sogar die Art und Weise, wie sich Roboter im Raum bewegen, umfassen können (Bartneck et al., 2020).
Expert:innen betrachten Mensch-Roboter-Interaktion als eine grosse Herausforderung (Yang et al., 2018), da diese sowohl technische Raffinesse zur Bewältigung sozialer Situationen als auch eine sorgfältige Gestaltung zur Gewährleistung des Benutzerkomforts erfordert. Leider hat sich die Forschung hauptsächlich auf die technischen Aspekte sozialer Roboter konzentriert und die entscheidenden Designelemente, die die Akzeptanz beeinflussen, vernachlässigt. Dieser «Technologie-zuerst»-Ansatz kann dazu führen, dass Roboter trotz ihrer Fähigkeiten abgelehnt werden.
In Anerkennung dessen plädieren Forschende nun für eine Verlagerung des Schwerpunkts und betonen (Šabanović, 2010), dass erfolgreiche soziale Roboter mit den Werten ihrer Benutzer:innen übereinstimmen müssen (Friedman, Hendry, 2019). «Werte», wie Autonomie, Sicherheit oder Zusammenarbeit, sind die tief verwurzelten Bedürfnisse und Überzeugungen, die von einer Gruppe von Menschen geteilt werden (Ros et al., 1999). Diese Werte beeinflussen, wie sich Menschen verhalten, einschliesslich der Frage, ob sie sich für die Nutzung einer bestimmten Technologie entscheiden (Maio, 2016). Daher ist die Einbeziehung dieser Werte in die Gestaltung sozialer Roboter entscheidend für ihren Erfolg.
Aber wie setzen wir diese Werte effektiv in die Praxis um? Design Patterns bieten einen praktischen Rahmen dafür. Ein Design Pattern identifiziert ein häufiges Designproblem und bietet eine anpassbare Lösung (Kahn Jr. et al., 2008). Diese Patterns haben nachweislich positive Auswirkungen auf die Mensch-Roboter-Interaktion und leiten die Interaktions- und Verhaltensgestaltung (z. B. Einführungen und Aufmerksamkeit) (Ligthart et al., 2019; Pollmann, Ziegler, 2021). In diesem Projekt werden unter Verwendung von Design Patterns die Werte der Interessengruppen in die MRI integriert, um sozial akzeptierte Anwendungen zu schaffen.
Anhand einer Fallstudie in einem medizinischen Bildgebungszentrum wird in diesem Projekt das Vorhaben veranschaulicht, Werte in die MRI zu integrieren. Der Gesundheitssektor wurde aufgrund der besonders hohen Bedeutung wertsensibler MRI gewählt. Die Ablehnung sozialer Roboter im Gesundheitswesen könnte nicht nur die Realisierung ihrer potenziellen Vorteile verhindern, sondern auch negative Folgen wie Angst oder ein Gefühl der Entmenschlichung verursachen (Dolic et al., 2019).
Die Fallstudie
Diese Fallstudie untersucht den potenziellen Einsatz eines humanoiden Roboters, Pepper, in einem medizinischen Bildgebungszentrum in Basel, das auf Radiologie spezialisiert ist. Das Personal und die Leitung des Zentrums stellten sich vor, dass Pepper den Patient:innen den Ablauf einer MRT-Untersuchung (Kernspintomographie) erklärt. In der Hoffnung, die repetitive Arbeitsbelastung des medizinischen Personals zu verringern.
Methoden
Um relevante Werte zu identifizieren, wurden Interviews mit vier Patient:innen und drei medizinischen Mitarbeiter:innen geführt. Die Teilnehmenden wurden nach ihrer allgemeinen Einstellung zu Robotern, ihren Erwartungen an die Interaktion mit Pepper und ihren priorisierten Werten befragt. Der vorgeschlagene Anwendungsfall – Pepper erklärt den MRT-Ablauf mithilfe verbaler Kommunikation und Multimedia auf seinem Tablet und beantwortet Patientenfragen – wurde vorgestellt. Eine Liste von zwölf Werten, die aus der vorhandenen Literatur zusammengestellt wurde (Friedman, Hendry, 2019; van Wynsberghe, 2013), half den Teilnehmern, ihre Werte zu artikulieren:menschliches Wohlergehen, Privatsphäre, Unvoreingenommenheit, Vertrauen, Autonomie, Einverständniserklärung, Höflichkeit, Ruhe, Aufmerksamkeit, Verantwortlichkeit, Kompetenz und Gegenseitigkeit. Die Interviews wurden mit Zustimmung aufgezeichnet, transkribiert und in einer Software für qualitative Daten analysiert.
Ergebnisse
Einstellungen zu Robotern
Die Einstellungen der Patient:innen zu Robotern waren unterschiedlich. Zwei Patient:innen standen dem vorgeschlagenen Anwendungsfall positiv gegenüber. Eine Patientin nannte die Vertrautheit mit ähnlichen Tablet-basierten Erklärungen, während die andere Roboterinteraktion aufgrund der Möglichkeit, Informationen zu wiederholen, bevorzugte. Umgekehrt waren zwei Patient:innen weniger begeistert. Ein Patient fand die Vorstellung traurig, dass Roboter Menschen «dienen», während die andere Roboterhilfe nur als letzten Ausweg akzeptieren würde. Ein Mangel an persönlicher menschlicher Interaktion war für beide ein grosses Problem. Auch wurde vermutet, dass Kosteneinsparungen die Hauptmotivation für den Robotereinsatz waren, was Bedenken hinsichtlich der Arbeitsplatzsicherheit aufkommen liess. Die medizinischen Mitarbeiter:innen erkannten das Potenzial zur Arbeitsentlastung an, betonten jedoch, dass die Akzeptanz der Patienten von Alter und Vertrautheit mit der Technologie abhängen würde.
Erwartungen und Herausforderungen
Die Befragte erwarteten, dass der Roboter den Ablauf klar erklärt, z. B. mithilfe von Videos, und alle wesentlichen Aspekte der MRT-Untersuchung abdeckt. Der Roboter sollte vordefinierte Fragen per Sprache und Tablet genau beantworten, mit angenehmer Stimme kommunizieren und soziale Normen einhalten, wie z. B. die Achtung der persönlichen Distanz und Blickkontakt. Dies trägt dazu bei, das Unbehagen bei der Interaktion mit einer Maschine zu verringern. Mehrsprachigkeit wurde als vorteilhaft angesehen, insbesondere in Notfällen und bei der Klärung von Kontrastmittelallergien, was aufgrund von Sprachbarrieren schwierig sein kann.
Beim Anwendungstest stellte die Spracherkennung eine Herausforderung dar, insbesondere wenn Testpersonen Fragen wiederholen mussten. Wenn der Roboter eine Frage nicht verstehen konnte, sollte er Vorschläge machen. Fragen sollten auch über das Tablet zugänglich sein. Die medizinischen Mitarbeiter:innen wiesen darauf hin, dass die Angst der Patient:innen vor Klaustrophobie und Lärm während der MRT-Untersuchungen die Wirksamkeit des Roboters beeinträchtigen könnte. Sie rechneten auch mit einem möglichen Widerwillen älterer, weniger technikaffiner Patient:innen.
Relevante Werte
Aus diesem Testsetting liessen sich informierte Einwilligung, Autonomie und Unvoreingenommenheit als die wichtigsten Werte ableiten, gefolgt von Privatsphäre und Kompetenz. Informierte Einwilligung wurde als das Recht von Patient:inn interpretiert, zu entscheiden, ob er/sie mit dem Roboter interagieren möchte oder nicht. Autonomie bezieht sich auf die Befähigung, die Interaktion jederzeit zu beenden und sich an das Personal zu wenden. Unvoreingenommenheit bedeutet, dass der Roboter alle Patient:innen gleich behandeln soll. Kompetenz erforderte klare Erklärungen und genaue Antworten. Privatsphäre bezieht sich auf die Interaktion in einem separaten Raum und die Gewährleistung der Datensicherheit.
Einbettung von Werten in die MRI mithilfe von Design Patterns
Um die identifizierten Werte in die Patient-Roboter-Interaktion zu integrieren, müssen diese Werte in konkrete Designanforderungen übersetzt werden. Dies geschah mithilfe einer Wertehierarchie-Methode (van de Poel, 2013), wobei die Werte an der Spitze und die spezifischen Designanforderungen am unteren Ende stehen, vermittelt durch die Normen auf der mittleren Ebene.
Um den Prozess zu veranschaulichen, nehmen wir den Wert der Autonomie als Beispiel. Da sowohl die informierte Einwilligung als auch die Autonomie häufig erwähnt wurden und die informierte Einwilligung die Autonomie ermöglicht, kann sie als Norm für letztere dienen. Die Interviews unterstreichen die Notwendigkeit der Benutzerkontrolle, während bestehende Forschungen darauf hindeuten, dass Transparenz die Autonomie fördert (Felzmann et al., 2019). Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde eine Wertehierarchie für Autonomie entwickelt.
Dieser strukturierte Ansatz zur Übersetzung von Werten in Designelemente verdeutlicht den Designprozess und legt den Grundstein für wiederverwendbare Lösungen. Durch das Verallgemeinern und Formalisieren werden diese Lösungen zu Design Patterns. Wie Handwerker:innen effektive Verbindungstechniken wiederverwenden, können MRI-Designer:innen effektive Interaktionsdesigns in verschiedenen Kontexten und Roboterplattformen wiederverwenden. Diese Design Patterns bieten einen strukturierten Ansatz für wiederkehrende Designherausforderungen, erfassen erfolgreiche Lösungen für häufige Probleme und bieten ein Vokabular und einen Rahmen für MRI-Designer. Darüber hinaus ist ein Schlüsselkonzept von Design Patterns eine Pattern Language, die über einzelne Pattern hinausgeht und ein Netzwerk miteinander verbundener Lösungen beschreibt. So wie die gesprochene Sprache Wörter zu Sätzen kombiniert, verbindet eine Pattern Language Mensch-Roboter-Interaktion zu Design Patterns, um umfassendere Belange des Interaktionsdesigns anzugehen.
Der folgende Abschnitt stellt zwei Design Patterns vor, die für spezifische MRI im vorgestellten Anwendungsfall entwickelt wurden. Das Erste nutzt die Wertehierarchie, um die Achtung der Benutzerautonomie während der gesamten Interaktion zu gewährleisten (siehe Tabelle 2). Das zweite Muster, das auf bisherigen Forschungen zur Mensch-Roboter-Engagement basiert (Avelino et al., 2021; Heenan et al., 2014), befasst sich mit dem effektiven Beginn der Interaktion (siehe Tabelle 3). Bemerkenswerterweise verwendet das zweite Pattern das erste wieder, was die Wiederverwendbarkeit von Design Patterns und die Entwicklung einer Pattern Language demonstriert.
Was kommt als Nächstes?
Dieses Projekt zeigt den Prozess der Gestaltung von Mensch-Roboter-Interaktion, die menschliche Werte einbezieht. Die Ergebnisse des Projekts unterstreichen die entscheidende Rolle von Werten im Technologiedesign für soziale Akzeptanz und gehen über einen rein technischen Fokus hinaus. Besonders wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass die Berücksichtigung der Werte aller Beteiligten – einschliesslich jener, die sich bewusst gegen die Nutzung der Technologie entscheiden, wie in unserer Fallstudie gezeigt – essenziell ist. Diese breitere Perspektive, die in traditionellen nutzerzentrierten Designansätzen oft übersehen wird, stellt sicher, dass keine Gruppe benachteiligt wird.
Aufbauend auf der Grundlage eines wertorientierten Designs und dem strukturierten Ansatz von Design Pattern besteht der nächste entscheidende Schritt in der praktischen Umsetzung und Evaluation dieser Patterns hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei der Berücksichtigung identifizierter Stakeholderwerte, wie etwa Autonomie, im Kontext eines medizinischen Bildgebungszentrums.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Ergebnisse der Studie aufgrund der geringen Anzahl der Befragten nicht verallgemeinert werden können. Dennoch gibt die Studie einen Einblick in die Werte, die ein Roboterassistent im Healthcare-Kontext für die vorgesehene Aufgabe respektieren muss und wie diese Werte in einem konkreten Anwendungsfall zum Tragen kommen können. Die präsentierte Design Patterns sind weder abschliessend noch endgültig. Da sich bewährte Praktiken im MRI-Design ständig weiterentwickeln, sollten sie als «lebende Dokumente» betrachtet werden, die aktuelles Designwissen erfassen. Designer:innen und Entwickler:innen sind dazu ermutigt, bestehende Muster zu verfeinern und neue zu erstellen, um so eine robuste und wiederverwendbare Ressource für die MRI-Community zu schaffen. Diese kollaborative Anstrengung wird letztendlich zur Entwicklung menschenzentrierterer und sozial verantwortlicherer Roboter führen.
Mentor:innen
Dylan Cawthorne, University of Southern Denmark
Claire Reymond, FHNW Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel
Dank
Dieses Projekt wurde grosszügig durch das Programm Incubator for Design Cultures unterstützt. Durch das Programm profitierte ich immens von der Anleitung zweier aussergewöhnlicher Mentoren, die mein kritisches Denken deutlich geschärft haben, indem sie meine anfänglichen Problemannahmen hinterfragten und meinen Designansatz sowie meine Artefakte verfeinerten. Das kollaborative Umfeld mit den anderen Teilnehmer:innen hat meine Lernerfahrung ebenfalls bereichert. Ich bin dem Team des Incubator-Programms zutiefst dankbar für ihr Engagement und die Schaffung eines so wertvollen Programms.
Literatur
Avelino, J., Garcia-Marques, L., Ventura, R., Bernardino, A. (2021). Break the Ice: A Survey on Socially Aware Engagement for Human-Robot First Encounters. International Journal of Social Robotics, 13 (8), 1851–1877. https://doi.org/10.1007/s12369-020-00720-2
Bartneck, C., Belpaeime, T., Eyssel, F., Kanda, T., Keijsers, M., & Sabanovic, S. (2020). What Is Human-Robot Interaction? In: Human-Robot Interaction – An Introduction. Cambridge University Press. S. 6–17.
Dolic, Z., Castro, R., Moarcas, A. (2019). Robots in Healthcare: A Solution or A Problem? Policy Department for Economic, Scientific and Quality of Life Policies, Directorate General for Internal Policies, European Parliament. S. 27.
Felzmann, H., Fosch-Villaronga, E., Lutz, C., Tamo-Larrieux, A. (2019). Robots and transparency: The multiple dimensions of transparency in the context of robot technologies. In: IEEE Robotics & Automation Magazine, 26 (2), S. 71–78.
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Kahn Jr., P. H., Freier, N. G., Kanda, T., Ishiguro, H., Ruckert, J. H., Severson, R. L., Kane, S. K. (2008). Design patterns for sociality in human-robot interaction. In: HRI 2008 - Proceedings of the 3rd ACM/IEEE International Conference on Human-Robot Interaction: Living with Robots, S. 97–104. https://doi.org/10.1145/1349822.1349836
Ligthart, M., Van Bindsbergen, K. L. A., Fernhout, T., Grootenhuis, M. A., Neerincx, M. A., Hindriks, K. V. (2019). A child and a robot getting acquainted—Interaction design for eliciting self-disclosure. In: Proceedings of the International Joint Conference on Autonomous Agents and Multiagent Systems, AAMAS, 1, S. 61–70. https://www.scopus.com/inward/record.uri?eid=2-s2.0-85076575306&partnerID=40&md5=eb5a4f2c6d1b877bb416c811d66f747a
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Yang, G.-Z., Bellingham, J., Dupont, P. E., Fischer, P., Floridi, L., Full, R., Jacobstein, N., Kumar, V., McNutt, M., Merrifield, R., Nelson, B. J., Scassellati, B., Taddeo, M., Taylor, R., Veloso, M., Wang, Z. L., Wood, R. (2018). The grand challenges of Science Robotics. In: Science Robotics, 3 (14). https://doi.org/10.1126/scirobotics.aar7650