Erforschung und Erprobung designbasierter Bildungsansätze

Marvin Miles Ferrante
PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULE

Die Bildungslandschaft in der Schweiz – von der Volksschule bis zur Hochschule – befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Globale Herausforderungen – wie die digitale Transformation mit künstlicher Intelligenz, Fragen der Nachhaltigkeit, regenerative Ansätze sowie die zunehmende Forderung nach der Beherrschung interdisziplinärer Kompetenzen – erfordern eine kritische Neubewertung bestehender Bildungsmodelle. Es wird zunehmend deutlich, dass Lernende nicht nur kognitiv, sondern auch in ihren verkörperten und sozial-emotionalen Dimensionen gefördert werden müssen. Diese Erkenntnis eröffnet zugleich die Chance, didaktische Konzepte konstruktiv zu ergänzen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Wie Foraita und Wölwer (2019, S. 12) treffend formulieren: «Design verschafft und ist selbst Bildung und Haltung». Dieser Gedanke unterstreicht, dass Design als integrativer Prozess verstanden werden muss, der nicht nur als ästhetische Disziplin, sondern vor allem als methodische Ressource zur Transformation und Weiterentwicklung von Bildungsansätzen beiträgt.

In meiner Tätigkeit am Institut Kindergarten-Unterstufe der Pädagogischen Hochschule FHNW verfolge ich das Ziel, Bildungsprozesse systematisch zu analysieren und innovative Ansätze in die pädagogische Praxis zu integrieren. Dabei wird bewusst auf starre Vorgaben verzichtet. Vielmehr versteht sich das Projekt als ein experimenteller, dialogisch-partizipativer Erkundungsprozess, in dessen Rahmen neue Methoden erprobt und weiterentwickelt werden.

Im Rahmen meiner Teilnahme am Incubator for Design Cultures sowie an weiteren designbezogenen Weiterbildungsangeboten konnte ich ein breites Spektrum an Designansätzen, methodischen Konzepten und didaktischen Verfahren kennenlernen. Diese Praxiserfahrungen haben mein methodisches Repertoire wesentlich erweitert und ermöglichen es mir, systematisch innovative Designansätze zu identifizieren, die ich sowohl im Kontext der Volksschule als auch an der Hochschule praxisnah erprobt habe.

Die gewonnenen Erkenntnisse motivieren dazu, Design nicht nur als ästhetische Disziplin, sondern vor allem als methodische Ressource im Bildungswesen zu begreifen. Design durchdringt nahezu alle Lebensbereiche – von der Gestaltung privater Wohnräume über die Strukturierung alltäglicher Abläufe bis hin zur bewussten oder unbewussten Veränderung des Erscheinungsbildes (Escobar, 2018, S. 26) – und stellt damit eine zentrale Schnittstelle zum Bildungsbereich dar. Baur, Erlhoff und Felsing (2007, S. 23) belegen, dass nahezu alle Erfahrungswelten mit Aspekten des Designs verknüpft sind. Diese Allgegenwart unterstreicht das Potenzial einer konsequent designorientierten Herangehensweise im Bildungsbereich.

Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, die Potenziale designorientierter Ansätze insbesondere im Zyklus 1 (Beginn der Schulzeit, beinhaltet die ersten vier Jahre, also Kindergarten bis 2. Klasse) zu erproben.

Das Incubator-Projekt «Erforschung und Erprobung designbasierter Bildungsansätze» untersucht explorativ, inwiefern der gezielte Einsatz designbasierter Methoden das Lernen bereichern kann. Es wird dabei analysiert, wie Studierende und Kinder sich als aktive Gestalterinnen und Gestalter ihrer Bildungswege verstehen können, während gleichzeitig die Förderpotenziale und Grenzen der Integration solcher Ansätze in den Schulalltag kritisch beleuchtet werden.

Aufbauend auf diesen theoretischen Grundlagen verlagerte sich der Fokus auf die praktische Umsetzung. Im Rahmen der Lehre an der Pädagogischen Hochschule FHNW habe ich mit den Studierenden verschiedene Designansätze und methodische Konzepte experimentell erprobt. Diese Ansätze, die unter anderem Elemente aus Concern Design, Design Thinking und Design Futuring beinhalten, wurden nicht bloss übernommen, sondern im Sinne einer adaptiven Weiterentwicklung eigenständig modifiziert. Wie Peter Friedrich Stephan treffend formuliert: «Alles, was gemacht wird, kann auch anders gemacht werden und ist daher Gegenstand von Gestaltung» (2024, S. 38). Während in Zyklus 1 vor allem Designsätze aus dem Bereich Design Thinking und Makerspace erprobt wurden, war mein Ansatz, diese Methoden zu reflektieren, zu adaptieren und gezielt für den Bildungsbereich weiterzuentwickeln. Durch Workshops, Tagungen und praktische Erprobungen in Volksschulen wurden diese Ansätze kontinuierlich verfeinert. Die Schaffung eines sicheren Raums, die Definition von leidenschaftlichen Interessen (Concerns) und der Einsatz von verkörperten Lernmethoden standen dabei im Mittelpunkt.

Ein konkretes Beispiel hierfür ist die von mir entwickelte «Resolving-Space-Methode». Diese Methode bietet einen innovativen Ansatz zur Förderung des kreativen Problemlösens in Gruppen. Dabei formulieren die Studierenden zunächst ihre eigenen Herausforderungen schriftlich, verorten sich räumlich entsprechend ihrem Problem und präsentieren dieses in einer kurzen Vorstellungsrunde. Anschliessend tauschen sie in Tandems zufällig gewählte Probleme aus und erarbeiten während eines gemeinsamen Spaziergangs erste Lösungsansätze. Nach der Rückkehr werden die erarbeiteten Ideen präsentiert, reflektiert und durch eine erneute räumliche Positionierung im Raum abschliessend bewertet. Diese Methode zielt darauf ab, den kreativen Prozess als dynamische Wechselwirkung zwischen den Studierenden und ihrer Umgebung zu verstehen und so sowohl individuelle als auch kollektive Lösungsansätze zu fördern.

Darüber hinaus wurde das methodische Repertoire im Projekt kontinuierlich erweitert. Neben der Resolving-Space-Methode kamen weitere Ansätze zum Einsatz, um unterschiedliche Facetten des Designprozesses im Bildungsbereich zu beleuchten. So wurden unter anderem Methoden wie Problem Statement, Education Experience Journey, Storytelling, Context Mapping, Future Cone, 2x2 Matrix, Exploration Map und Prototype to Test erprobt.

Aus den bisherigen Erkenntnissen wurde deutlich, dass diese Designmethoden nicht unverändert übernommen werden können, sondern gezielt an die spezifischen Bedürfnisse und Concerns der Studierenden und Kinder adaptiert werden müssen. Es galt also immer wieder herauszufinden, wie die bestehenden Methoden in neuartige Lernformate übersetzt werden können – nicht nur, um die intrinsische Motivation zu steigern, sondern vor allem um die Lernenden nachhaltig in ihrer Selbstwahrnehmung als aktive Gestalterinnen und Gestalter ihrer Bildungswege zu fördern. Dabei wurde besonderes Augenmerk daraufgelegt, dass die entwickelten Ansätze das interdisziplinäre Denken und Handeln unterstützen und den Lernenden ermöglichen, den gestalterischen Herausforderungen einer sich stetig wandelnden Gesellschaft adäquat zu begegnen.

Im Anschluss wurde folglich immer wieder getestet, wie diese experimentellen Designansätze gezielt an den Bildungsbereich adaptiert werden können. Es zeigte sich, dass durch die flexible Anpassung von Lehrmethoden und Lernumgebungen neuartige Lernformate entstehen, die die interdisziplinäre Zusammenarbeit fördern und den gestalterischen Anforderungen einer modernen Bildungslandschaft gerecht werden. Verschiedene Iterationen und Ideen haben zu einem umfangreichen Materialpool geführt, der auch nach Abschluss des Incubator-Projekts als nachhaltige Ressource zur Verfügung stehen wird.

Zur weiteren Förderung des Austauschs und der kontinuierlichen Weiterentwicklung der designbasierenden Bildungsansätze wurde die Website emergingspace.ch eingerichtet. Dieser Educational Hub bietet Lehrenden und Studierenden eine digitale Plattform, auf der die im Projekt erprobten Methoden systematisch dokumentiert, praxisnah zusammengeführt und fortlaufend optimiert werden. Auf diese Weise leistet emergingspace.ch einen wesentlichen Beitrag dazu, den Transformationsprozess im Bildungswesen aktiv mitzugestalten und langfristig innovative Lehr- und Lernformate zu etablieren.

 

Website:

emergingspace.ch

 

Quellen:

Baur, M., Erlhoff, W., Felsing, H. (2007). Design studieren.. W. Fink.

 

Escobar, A. (2018). Designs for the Pluriverse. Radical Interpendence, Autonomy, and the Making of Worlds. Duke University Press.

 

Foraita, S., Wölwer, St. (2019). Design for teaching! Forschung und Gestaltung für vernetztes lebenslanges Lernen. In: Plankert, S.  Entwerfen, Lernen, Gestalten (transcript Verlag. S. 49–64.

 

Stephan, P. F. (2024). Designing Concerns: Bruno Latour und das Transformation Design. transcript Verlag.

 

Mentor:innen:

Prof. Dr. phil. Florian Dombois, Zürcher Hochschule der Künste

Laura Zarotti, Zürcher Hochschule der Künste