Mit dem Analog-Digital Communication Lab (AnDiCo Lab) verfügt das Institute Digital Communication Environments (IDCE) der HGK Basel seit über zwanzig Jahren über ein internes Design- und Kommunikationsbüro. Das AnDiCo Lab arbeitet auf marktwirtschaftlicher Basis in der Kreativwirtschaft, mit Schwerpunkten in den Bereichen Kommunikationsdesign, Ausstellungsgestaltung und Interaction Design. Die bearbeiteten Projekte werden in der Regel unter Einbezug von Studierenden umgesetzt. Zahlreiche junge Designerinnen haben im AnDiCo Lab erste Erfahrungen mit angewandten Aufträgen gemacht.
Am Anfang vom Incubator-Projekt «Option B» stand die Idee, im etablierten Praxis-Lehre-Transfer des AnDiCo Lab weitere Themen des Berufsalltages aufzunehmen, die ausserhalb des kreativen Gestaltungsprozesses stehen. Damit gemeint sind betriebswirtschaftliche und soziale Aspekte der Kreativwirtschaft: Berufsfeld, Businessmodell, Büroalltag, Bewerbungsprozess, Vernetzung und Vereinbarkeit der verschiedenen Lebensbereiche – Themen, die ebenso wie herausragende Design-Skills einen Einfluss haben auf den beruflichen Werdegang.
Zeitgleich mit der Entwicklung von «Option B» (ab 2022) fand eine Neuausrichtung der Studiengänge an der HGK Basel statt. Die Themen rund um den Übergang vom Studium in die berufliche Praxis wurden für die Studiengänge des IDCE im Modul «Entrepreneurship» gefasst. Zudem eröffnete sich die Möglichkeit zur Weiterentwicklung des BA-Moduls «Sommerpraktika / Sommerprojekte». Damit waren zentrale formale Gefässe für die «Option B»-Themen geschaffen.
Welches ist aber der thematische Rahmen von «Option B»? Welches sind die Herausforderungen von Studierenden, die die Studiengänge des IDCE verlassen? Wo gibt es Lücken im aktuellen Curriculum?
Zahlen des Bundesamt für Statistik zur Beschäftigungssituation von Fachhochschul-Abgänger:innen zeigen im Fachbereich «Design» branchenspezifische Auffälligkeiten: Ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Studienabgänger:innen gehen direkt in eine berufliche Selbständigkeit. Während die meisten Fachbereiche eine Selbständigkeitsquote von unter 5 Prozent aufweisen, sind es im Design 12,5 Prozent (ein Jahr nach Studienabschluss) bzw. 23,9 Prozent (fünf Jahre nach Studienabschluss). In dieser Erhebung fällt weiter der hohe Anteil an Praktikant:innen auf. Direkt nach Studienabschluss ist er signifikant höher ist als in allen anderen Fachbereichen (18,3 Prozent nach einem Jahr gegenüber <5 Prozent im Gesamtdurchschnitt), sinkt aber über die Jahre auf einen durchschnittlichen Wert (2,5 Prozent nach fünf Jahren).
Einen Hinweis auf den anspruchsvollen Zugang zum Arbeitsmarkt im Fachbereich Design gibt auch die Erhebung zur Erwerbslosenquote. Diese liegt mit 8,7 Prozent (nach einem Jahr) bzw. 3,4 Prozent (nach fünf Jahren) signifikant höher als in anderen Fachhochschulbereichen (Gesamtdurchschnitt 3,7 Prozent nach einem Jahr bzw. 1,4 Prozent nach fünf Jahren).
Diese Zahlen korrespondieren mit Beobachtungen von Werdegängen von Alumni unseres Instituts. Tatsächlich gehört der Versuch einer beruflichen Selbständigkeit zu den oft genannten Plänen nach dem Studium. Designstudios wie «Moono», «nerak», «Nguyen Gobber» oder «Tristesse» stehen für den Erfolg solcher Start-ups. Viele der «Selbständigkeitsversuche» verschwinden aber nach kurzer Zeit wieder. Gut möglich, dass diese Geschäftsgründungen nur als Übergangslösung gedacht waren. Schliesslich liegen die Hürden in die Selbständigkeit im Grafikdesign niedrig. Bereits mit überschaubaren externen Ressourcen und mit kleinem administrativem Aufwand ist die Gründung eines Grafikbüros möglich.
So erfreulich es ist, wenn junge Studienabgänger:innen den Traum der eigenen Firma verwirklichen, kann das durchaus auch kritisch betrachtet werden. Es ist anzunehmen, dass Jungunternehmer:innen ihren Platz auch über niedrige Preise suchen, was den Preisdruck in der gesamten Branche erhöht. Das niedrige Alter und die geringe Berufserfahrung schwächt ausserdem die Erfolgschancen eines Jungunternehmens. Erfolgreiche Firmengründerinnen und -gründer blicken auf durchschnittlich 18 Jahre Berufserfahrung zurück.
Die zweite wichtige Option nach dem Studium ist der Einstieg in den Beruf über ein Praktikum. Die Wahrscheinlichkeit, direkt eine Festanstellung in einer Agentur zu finden, erscheint vielen Student:innen unrealistisch. Tatsächlich ist die Anzahl Stellenangebote auf den gängigen Plattformen bescheiden. Seit vielen Jahren ist es eine weit verbreitete Praxis der Unternehmen, Praktikumsstellen auszuschreiben und bei erfolgreicher Zusammenarbeit eine Festanstellung anzubieten.
Inhaltliche Verortung und Wissensaufbau
Die zentralen Themen der «Option B»-Angebote kristallisierten sich über längere Zeit heraus. Insbesondere die im Incubator-Programm angebotenen Module «Entrepreneurship – unternehmerisches Denken» bei Marc Aeschbacher und «Cultural Entrepreneurship» bei Anne-Catherine Sutermeister gaben mir Zugang zu den Themenfeldern von Unternehmensgründung und Betriebswirtschaft. Nach der Durchführung und Auswertung mehrerer von mir geleiteten Unterrichtsmodule und Veranstaltungen sowie in Abgrenzung zu anderen Modulen der BA- und MA-Curricula ergaben sich folgende vier Hauptthemenfelder:
- Projektmanagement: Projektphasen, interne und externe Ressourcen, detaillierte Schätzung vom zeitlichen Aufwand, AGBs und Absicherung im Projektprozess, Kostenplanung, Finanzierungsmöglichkeiten selbstinitiierter Projekte.
- Arbeitsmarkt und Stellenbewerbung: Übersicht Branchen und Gewerbe mit Zugang nach Studienabschluss, Bewerbungsunterlagen, Bewerbungsgespräch.
- Berufliche Selbständigkeit: Geschäftsidee und Business-Modell, Werteangebot, Marktanalyse, Kostenschätzung und -kontrolle, Kundenpflege, Akquise.
- Netzwerk und Beziehungsarbeit: Fachliche und überfachliche Vernetzung (regional, branchenübergreifend, themenfokussiert), Beziehung zu Mitarbeiter:innen, externen Projektpartner:innen und Kund:innen.
Methoden und Gefässe
Es war mir ein zentrales Anliegen, im Rahmen meines Incubator-Projekts «Option B» innovative Methoden und Gefässe zur Unterstützung von Studierenden und der Vermittlung von Inhalten zu erproben. Dies in der Überzeugung und Erfahrung, dass in der Lehre – wie auch im Grafikdesign – Form und Inhalt (bzw. Vermittlungsmethode und Inhalt) sich gegenseitig bedingen. Neben den formal verankerten Studienmodulen (die ebenfalls einen grossen Spielraum zur Erprobung didaktischer Methoden bieten) wollte ich auch «freie Gefässe» wie Coachings, Beratungen und Vernetzungsangebote testen und wenn möglich etablieren. Diese als Reaktion auf die sehr unterschiedlichen Ziele hinsichtlich der beruflichen Laufbahn von Studierenden und im Sinne individualisierter Lehre. Entstanden sind folgende «Option B»-Gefässe:
Modul Entrepreneurship: Pflichtmodul BA und Wahlmodul MA (3. bzw. 2. Semester; 2 ECTS).
Modul Sommerpraktikum / Praxisprojekt: Wahlmodule (BA, 5. Semester, 5 ECTS) als Praktikum, praktisches Kundenprojekt oder freies Gestaltungsprojekt.
- «B-to-B»: Eine niederschwellige Sprechstunde zu Themen des Übergangs in die Berufswelt. Oftmals vertiefend zu Inhalten aus dem Modul Entrepreneurship. Behandelte Themen waren u. a. Offertenstellung für Kleinaufträge, Verdacht auf Urheberrechtsverletzung, geeignete Rechtsform und Anmeldung als Einzelgesellschaft, Feedback zu Bewerbungsschreiben, prekäre Anstellungsbedingungen im Praktikum, arbeitsrechtliche Fragen.
- «B-to-B-to-B»: Forum von und für Student:innen mit Geschäftsideen oder Interesse an Unternehmensthemen. Offen für Studierende der gesamten Hochschule und Alumni.
- «Option B – Gast»: Vortragsreihe mit Fachpersonen oder Vertreter:innen von Fachinstitutionen: GGG Migration, Kreativgesellschaft Basel, Regionale Arbeitsvermittlung Basel, Swiss Graphic Designers.
Erweiterter Blick: Hochschulebene
Weitere bestehende Angebote der HGK Basel (Entrepreneurship-Kurs im Wahlpflichtprogramm CoCreate), des IDCE (Individual Project im MA-Studiengang mit Option Unternehmensgründung) und der Alumni-Organisation HGKx (Zugang zu Campus-Werkstätten für Alumni) bilden einen Strauss an Möglichkeiten für Studierende, im Studium einen starken Fokus auf die Entwicklung einer Geschäftsidee oder die Auseinandersetzung mit den beruflichen Möglichkeiten nach Studienabschluss zu legen. Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn dieser Themenbereich hochschulweit koordiniert werden könnte, beispielsweise in einer Fachgruppe oder einem Lab.
Vernetzung
Die umfangreichen Recherchen zu bestehenden Angeboten, die sich der Unterstützung von Start-ups verschrieben haben, hatten zwei Effekte: Erstens die Erkenntnis, dass in der Nordwestschweiz ein reiches Angebot an Co-Work-Spaces, Netzwerk-Institutionen, Start-up-Wettbewerben und niederschwelligen Beratungsmöglichkeiten existiert. Und zweitens konnte ich Kontakte aus meinem neu entwickelten Netzwerk direkt in die «Entrepreneurship»-Module integrieren: in Form von Vorträgen (RAV Basel, GGG Migration, Kreativgesellschaft), Vermittlung von Studierenden (Gewerkschaft Syndicom, Kulturhub Basel, Ausgleichskasse BS) sowie Besuche mit Studierendengruppen (Stellwerk, Impact-Hub, Out&About). Die Recherche zu Förderinstrumenten auf Hochschulstufe öffnete Möglichkeiten (Zugang NEXT Career Service der Hochschule für Wirtschaft FHNW) und gab einen Überblick über bestehende Unterstützungsgefässe und erlaubt einen Vergleich mit den eher bescheidenen Förderinstrumenten an unserer eigenen Hochschule.
Fazit
Als Hochschule mit berufsbefähigenden Studiengängen ist es der HGK Basel ein Anliegen, die Studierenden an die Berufsfelder heranzuführen. Da gibt es überzeugende Ansätze, der Blick auf andere Hochschulen in der Schweiz zeigt aber, dass es weit stärkere Instrumente und Angebote geben könnte. Es steht dabei nicht im Zentrum, die Selbständigkeitsquote von Studienabgänger:innen zu erhöhen. Das vermittelte Basiswissen soll eine spätere Firmengründung unterstützen, Planungs- und Organisationskompetenzen fördern und die Studierenden für den Bewerbungsprozess vorbereiten, um damit den allgemeinen Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.
Das Incubator-Programm gab mir die Möglichkeit, in Themen, die mir nahe liegen und im AnDiCo Lab zu meinen Aufgabenbereichen gehörten, zu analysieren, erweitern und vertiefen. Dass mir der Freiraum gegeben wurde, daraus neue Lehrinhalte zu entwickeln und mit Methoden zu spielen, erachte ich als Privileg. Es ist mein Ziel, die erprobten Angebote weiter zu entwickeln und zu verstetigen, als fixe Angebote im Curriculum, aber auch als «freie Gefässe» zur flexiblen und individuellen Begleitung von Studierenden auf ihrem persönlichen Weg.
Referenzen
19.02.2025: BFS – Befragung der Hochschulabsolvent/-innen (EHA), Berufliche Stellung der FH-Bachelorabsolvent/-innen nach Fachbereich, Datenstand: 29.08.2024; gr-d-15.11.03-e-33, https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/eintritt-arbeitsmarkt/tertiaerstufe-hochschulen/berufliche-stellung.html
19.02.2025: BFS, Befragung der Hochschulabsolvent/innen (EHA), Erwerbslosenquote gemäss ILO der Hochschulabsolvent/innen nach Hochschultyp und Examensstufe, Stand 2018, https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bildung-wissenschaft/eintritt-arbeitsmarkt/tertiaerstufe-hochschulen/erwerbslosenquote-ilo.html
Winistörfer, N. (2020). Ich mache mich selbständig. Von der Geschäftsidee zur erfolgreichen Firmengründung. (16. Aufl.). Beobachter Verlag.